1w6 - Ein Würfel System - Einfach saubere, freie Rollenspiel-Regeln

Auswirkungen verschiedener Würfelsysteme

Bild von Drak

Wie beeinflusst das Würfelsystem das Spiel?

In Rollenspielen werden verschiedenste Würfelsysteme genutzt. Ich betrachte hier die Grundlegendsten, weil ihre Effekte die Grundlage dessen sind, wie die Regeln die Spielwelt beeinflussen.1

Viele weitere Ideen gibt es im Modul Alternative Zufalls-Systeme (AZul).

±W6

Im 1w6-System verwenden wir den ±W6: Wenn die Augenzahl gerade ist, wird sie addiert, wenn sie ungerade ist abgezogen. Bei einer 6 (oder 5) wird nochmal gewürfelt. Fällt wieder eine 6 (5), werden weitere 6 Punkte addiert (5 abgezogen), und nochmal gewürfelt.

In Proben wird geprüft, ob ein Mindestwurf erreicht wird. In Wettstreiten (z.B. Kämpfen) würfeln beide und wer das höhere Ergebnis hat gewinnt.

Beispiel: Du hast einen Wert von 12 und einen Mindestwurf von 15. Wirf einen W6 (6-Seitigen Würfel). Ist die Augenzahl gerade, dann addiere sie zu deinem Wert. Ist sie ungerade, dann zieh sie ab. Erreichst du damit 15 oder mehr, schaffst du die Probe. Eine 4 oder 6 ist also ein Erfolg.

Grund: Im Bereich um die Werte der Charaktere ist es linear. Ein Würfelwurf trifft also eine klare Entscheidung, weil sich die Werte deutlich unterscheiden. Im „Fernbereich“ wird es eine Glockenkurve, d.h. auch unwahrscheinliche Aktionen sind möglich, aber unwahrscheinlich, und Patzer kommen auf natürliche Art rein (3x5). Außerdem liegen die Schwierigkeiten auf der gleichen Skala wie die Werte, weil der Wert sowohl nach unten als auch nach oben gehen kann.

Und es hat nur einen Würfel, so dass immer ein einziger Wurf (pro Beteiligtem) entscheidet, was eine Handlung bewirkt.

Für die Wahrscheinlichkeit, eine Probe zu schaffen, ist außerdem nur relevant, wie hoch der Mindestwurf im Vergleich zum eigenen Wert ist, so dass auch sehr starke und sehr schwache Charaktere gut abgebildet werden → Warum das 1w6-System skaliert.

YwX

In einem YwX-Addiersystem (z.B. 3W6 würfeln und addieren → schauen, ob des Ergebnis einen Mindestwurf erreicht) sind die meisten Ergebnisse recht nah um den Mittelwert verteilt. Die Spieler können also damit rechnen, dass Handlungen meistens auf etwa die gleiche Art ausgehen. Die Handlungen in der Spielwelt werden berechenbarer und der Würfelwurf an sich wird für die Handlung weniger relevant. Weswegen Gurps sich auch toll für taktische Spiele eignet.

Beispiel: Du hast einen Eigenschaftswert von 12. Wirf 3 W6 und addiere sie. Wenn das Ergebnis 12 oder weniger ist, schaffst du die Probe.

1wX

Hier wird ein Würfel geworfen. Erreicht er einen gewissen Wert, ist die Probe bestanden.

Beispiel: Du hast einen Eigenschaftswert von 12. Wirf einen W20. Wenn du 12 oder niedriger würfelst, schaffst du die Probe.

In einem 1wX-System dagegen (egal ob addieren oder unterwürfeln) sind die Abweichungen von den Normalergebnissen sehr groß. Ich nehme als Beispiel mal einen W100 (2W10 nebeneinandergeschrieben sind linear). Wenn jemand 80% Erfolgswahrscheinlichkeit haben will (darunter würde ich im echten Leben die meisten Aufgaben nichtmal anfangen), muss er schon einen Wert haben, bei dem 80 ein Erfolg ist. Ein Erfolgswert (was er würfeln muss) von 10 ist allerdings nicht viel anders als einer von 40: „Das lass ich besser gleich“.

Einschub: Addition mit Mindestwurf vs. Unterwürfeln mit Boni und Mali

Und hier scheiden sich nun Additions- und Unterwürfelsysteme in ihrer Nutzung. Bei Additionssystemen hat man einen Grundwert, auf den man den Würfelwurf addiert und schaut, ob man unter einem bestimmten Mindestwurf ist, der oft stark variiert. (Wieder in W100) Wenn jemand einen Wert von 10 hat und nur 30 erreichen muss (also min. 20 auf W100 würfeln muss), hat er wieder 80% Wahrscheinlichkeit, es zu schaffen. Dafür sind Erfolg und Misserfolg in dem System erst nach dem Addieren sichtbar (oder indem man sich vorher überlegt, was man braucht).

Unterwürfelsysteme ohne (hohe) Boni/Mali dagegen hat jemand mit 20% immer nur 20% Chance, etwas zu schaffen.

Unterwürfelsysteme mit Boni/Mali in ähnlicher Höhe wie die Werte sind effektiv das gleiche wie Additionssysteme, nur dass halt der Mindestwurf fest ist und die Modifikatoren sich ändern. Der Unterschied ist dann also nur noch psychologisch.

Dazu gibt es noch vergleichende Additionssysteme: Wenn ich + Würfel besser bin als Gegner + Würfel, dann gewinne ich. Mit denen können sehr starke und schwache Charaktere gleichzeitig gehandhabt werden – ähnlich wie mit dem ±W6.

Pool

Pool-Systeme gehen dem ganzen Gerechne aus dem Weg und ermöglichen dafür nur eine recht schmale Spanne an Werten. Im Gegenzug sind die Ergebnisse toll plastisch („5 Erfolge!“). Man würfelt mit X würfeln. Jeder Würfel, der einen Mindestwurf erreicht, ist ein Erfolg.

Beispiel: Dein Wert ist 3 ⇒ Wirf 3 W6. Jeder, der eine 5 oder 6 zeigt, ist ein Erfolg. Wenn du mindestens 2 Erfolge hast, gelingt dir die Probe.

Sie können nur einen recht schmalen Wertebereich detailliert und gleichzeitig praktisch nutzbar darstellen.

Zwischen 1 und 2 ist der Unterschied riesig, so dass hier die Details verloren gehen. Eine Katze ist so stark wie eine Maus ist so stark wie ein Kleinkind. Außerdem ist hier der Erfolg sehr zufällig.

Zwischen 10 und 11 ist er recht klein, so dass sich Charaktere da durch Werte leicht unterscheiden können. Dafür sind 10 Würfel schon nicht mehr so praktisch zu handhaben, und 30-40 Würfel werden fast zu reinem Würfelaufsammeln. Wirklich schön zu verwenden sind Poolsysteme meiner Erfahrung nach zwischen 3 und 10 Würfeln.

Fürs Spielgefühl bedeuten sie, dass der Akt des Würfelns wichtiger wird, weil jeder Erfolg auch ein Erfolgserlebnis ist/sein kann.

Außerdem werden schwache Leute für die Spielwelt unwichtig. Die Regeln unterscheiden nicht zwischen Maus und Katze, so dass der Unterschied zwischen beiden in der Spielwelt wegfällt. Das Spiel zentriert sich stark auf einen bestimmten Fähigkeitenbereich.

Beispiel Shadowrun (3 stärker als 4): Anfänger-Ganger mögen eigentlich vom Hintergrund her sehr spannend zu spielen sein, aber da ihre Werte alle zwischen 1 und 3 liegen, können sie sich nur schwer abheben. Von 5 Gangschlägern haben recht wahrscheinlich mehrere die gleichen Werte.

Bei Shadowrunnern mit Werten zwischen 2 und 6 ist es dagegen sehr viel leichter, sich abzuheben.

Das Regelsystem favorisiert daher mächtige Charaktere, weil die detaillierter sichtbar werden. ⇒ Ganger werden selten gespielt oder sehr schnell besser.

Bei Shadowrun 3 war das noch stärker, da hier die Attribute nicht zum Pool addiert wurden. Bei SR 4 dagegen bildet das Attribut einen Grundwert, der die Nachteile des Poolsystems teilweise auffängt ⇒ Additiver Pool ist technisch sinnvoll.

An Ergebnissen der Probe hat es:

  • Patzer (z.B. nur 1-er)
  • Kein Erfolg
  • Zu wenig Erfolge
  • Geschafft
  • Zusätzliche Erfolge

Besonderheiten:

  • Bei einer einfachen Probe (nur 1 Erfolg nötig) gibt es kein „fast geschafft“.
  • Es gibt kein „kann gar nicht schief gehen“ (außer mit Regeln für automatische Erfolge ab bestimmten Werten).
  • Die Unterschiede in den Erfolgen sind im einstelligen Bereich (Vorteil: leicht zu erfassen)

Sonderformen

  • Karten sind auch nur Würfel mit Zusatzinfos :) (und manchmal mit „ein Ergebnis nur einmal pro Runde“)
  • Würfel mit Symbolen ersparen das Nachschauen in einer Tabelle.
  • Würfel für verschiedene Effekte.
  • Verschiedene System für verschiedene Arten von Handlungen. Ein Poolsystem für die Sonderfähigkeiten mächtiger Charaktere und ein ±wX-System für normale Proben wäre eine Idee.

Was ich noch nicht gesehen habe: Charaktere haben Merkmale und für jedes passende Merkmal bekommen sie einen Würfel. Das wäre vielleicht was, das wir für Sonderfähigkeiten im 1w6-System nutzen könnten: Pro + einen Würfel. z.B. pro + in magischen Werten einen Würfel, um zu sehen, ob der Charakter in einem magischen Kampf gewinnt.

Was das bringt

Mit diesen Überlegungen kann man nicht festlegen, welches System besser ist. Man kann allerdings die Würfelsysteme auf ihre Einflüsse auf die Erlebnisse der Charaktere untersuchen. Dann kann man für bestimmte Bereiche jeweils ein System nutzen, das am stärksten das gewünschte Erleben fördert.

Beispiel:

  • Wir wollen sehen wie cool unsere Charaktere sind ⇒ Pool mit Erfolge zählen. Toll z.B. für „zwei Initiaten zoffen sich. Sie vergleichen ihre Initiationsmacht. Jeder hat einen Würfel pro Initiationsstufe“.
  • Wir wollen sehr gefährliche Kämpfe (schnelle, heftige Effekte) ⇒ (a) Skalierbarkeit nicht wichtig: Unterwürfeln mit Augenzahl = Ergebnis (Dungeonslayer); (b) Skalierbarkeit wichtig: ±wX (1w6). Lineare Verteilung.
  • Wir wollen drei Truppentransporter sicher durch feindliches Gebiet bringen ⇒ XwY (mehrere Würfel addieren), da Glockenkurve. Wir können sauber abschätzen, was passieren kann, und sehen, wann wir uns zurückziehen müssen (oder zumindest reparieren). Nicht für den dreckigen Krieg, in dem schnell mal alle ausgelöscht werden, sondern eher für den (inexistenten) „sauberen“, den die Generäle zu sehen glauben.

Ich würde mich freuen zu hören, ob ihr die Effekte der Würfelsysteme auch so erlebt!

PS: auch geschrieben in Tanelorn.


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„Dass man alle abs­trak­ten Werte benennt, macht den Ein­stieg wun­der­bar ein­fach und intuitiv.“
— Tim Charzinski in der Rezension bei den Teil­zeit­helden
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