1w6 - Ein Würfel System - Einfach saubere, freie Rollenspiel-Regeln
Warum und wann es sinnvoll ist, Charaktere nicht nur zu beschreiben, sondern darzustellen.
Die Leute von System Matters haben in Folge 36 die Frage aufgeworfen, ob wir Charaktere überhaupt darstellen sollten, oder ob wir sie nicht lieber nur beschreiben sollten (was mich völlig überrascht hat, aber unsere Szene ist nunmal so vielfältig, dass kaum jemand volle Übersicht darüber haben kann, wie die verschiedenen Leute das Rollenspiel sehen).
Daher nun ein paar Gründe, warum wir Charaktere nicht nur beschreiben, sondern darstellen sollten:
Körpersprache kann direkt bestimmte emotionale Reaktionen hervorrufen. Wenn jemand mit dem Finger auf uns zeigt, fühlen wir uns unwohl, und jemand, der sich die ganze Zeit nervös umblickt, wirkt nicht unbedingt vertrauenswürdig. Wir eröffnen uns so weitere Möglichkeiten, die Spieler direkter anzusprechen und unsere gemeinsame Fiktion zu stärken.
Die Körpersprache einer Person bleibt meist stärker in Erinnerung, als ihre Worte. Dadurch kann die emotionale Bindung an Charaktere mit eigener Körpersprache über die deutlicheren (und tiefer gehenden) Bilder stärker werden.
Beschreibung und Darstellung ergänzen sich: Wenn wir die tiefe, kräftige Stimme des Charakters beschreiben, die von den Höhlenwänden zurückhallt, und dann unsere Stimme erkennbar tiefer klingt als sonst, wird sie in der Vorstellung der Spieler nochmal deutlich tiefer. Unsere Darstellung muss nur als Anker für das Bild des Charakters im Kopf der Spieler dienen. Wir müssen also nicht perfekt sein.
Dass wir Charaktere direkt darstellen und so am Tisch zum Leben erwecken können, ist einer unserer Vorteile gegenüber Buchautoren. Wir sprechen durch die Darstellung mit nicht allzu großem Aufwand weit mehr Sinne an.
Es gibt allerdings manchmal auch Gründe, die für reine Beschreibung sprechen, mit Tipps, wie Darstellung trotzdem genutzt werden kann:
Du hast das Gefühl, dass er Versuch der Darstellung die gemeinsame Vorstellung mehr stören als ihr helfen würde, z.B. weil es nicht gut genug funktioniert, damit das Bild des Charakters das Bild der stockenden SL verdrängt (das ist dann zwar Übungssache, an dem betreffenden Spielabend aber ein guter Grund nur zu beschreiben). Nimm dabei aber nicht zu früh an, dass du zu schlecht darstellst. Die Spieler haben auch Fantasie, und sie wollen in deine Vorstellung des Charakters eintauchen, daher werden sie ein paar dich störende Schnitzer vermutlich einfach ignorieren und sich vorstellen, dass der Charakter das ohne den Schnitzer gemacht hat. Wenn du trotzdem zu unsicher bist, ist es aber möglicherweise wirklich sinnvoller, nur zu beschreiben, und es gibt Dinge, die kaum ausreichend gut dargestellt werden können.
Lärmschutz: Die Spieler anschreien ist nicht immer angebracht :) (es funktioniert nur dann, wenn die Spieler auch emotional klar erkennen, dass hier der Charakter schreit, nicht die SL).
Zu viel gleichzeitig zu tun. Wenn es schon kompliziert genug ist, sich Antworten auf die Fragen der Spieler zu überlegen, kann es sinnvoll sein, den Charakter lieber nur durch seine Aussagen und Beschreibungen zu charakterisieren. Auch hier hilft allerdings Routine, und das Darstellen kann dir sogar die Zeit verschaffen, eine passende Antwort zu finden (z.B. indem du erst mal einen Schluck aus dem Glas nimmst, bevor der Charakter antwortet).
Du fühlst dich unwohl beim Schauspielern. In dem Fall kannst du entweder üben (damit du dich daran gewöhnst und es irgendwann Spaß macht) oder Charakterdarstellung größtenteils rauslassen. Wenn du dich beim Spielen unwohl fühlst, schadet das dem Spielgefühl recht sicher mehr als ihm die Darstellung der Charaktere hilft. Gleichzeitig ist aber Rollenspielen eine tolle Möglichkeit, im Kreis von Freunden zu lernen, die Angst vor der Darstellung loszuwerden. Auf die Art kannst du dann schon aus dir herausgehen, wenn du es im richtigen Leben brauchst, z.B. in Vorstellungsgesprächen. Wenn dir nur bestimmte Arten der Darstellung zu schwer oder unangenehm sind, kannst du die auch einfach vermeiden.
Szenen würden zu lang werden. Das kann gerade bei Zwischenszenen der Fall sein. Wenn die Charaktere und die Handlung wenig wichtig sind, könnte die Darstellung von NSCs die Szene unnötig in die Länge ziehen (weil sie den Spielern Anker liefert, über die sie mit den NSCs interagieren, obwohl die NSCs ihnen wirklich nicht helfen können). Sollten die Spieler sich trotzdem an die NSCs hängen, kannst du die Szene allerdings auch einfach wichtig machen und improvisieren.
PS: Das ganze wirft natürlich die Frage auf: Warum dann noch beschreiben? Die Antwort ist fast die gleiche wie die hier: Weil die Beschreibung uns Möglichkeiten gibt, die die Darstellung alleine nicht hat. Beide ergänzen sich sehr schön.
Zu lang …
Ich glaube eigentlich nicht, dass Szenen durch Darstellung (as opposed to Beschreibung) zu lang werden. Im Gegenteil. Darstellung hat eine wesentlich höhere Informationsdichte. Anstatt nur Text nutzt Du Sprache, Gestik, Mimik, … Zusammen mit ein, zwei Schlagworten kann man innerhalb von einigen Sekunden ein festes Bild eines Charakters formen. Mit Beschreibung wird man für die gleiche Information wesentlich länger brauchen.
Das setzt natürlich voraus, dass man sich bei der Darstellung wohl fühlt und sich schnell in viele Charaktere hinein versetzen kann. Insofern lasse ich diesen Punkt höchstens als Unterpunkt des Unwohlseins gelten.
Als Beispiel sehe ich das
Als Beispiel sehe ich das folgende:
Ohne Darstellung: „Der Pressesprecher wendet sich kopfschüttelnd um und lässt euch stehen“
Mit Darstellung: „…“ + Kopfschütteln und trauriges Gesicht.
Die Szene wird im zweiten Fall eher deswegen zu lang, weil die Spieler auf den NSC ansprechen, statt ihn als Funktion zu sehen. Das heißt, da geht es gerade darum, kein Bild der Charakters zu formen, um einfach einen Szenenübergang zu haben.
Ansonsten hast du aber Recht: Darstellung kann in der gleichen Zeit deutlich mehr Inhalt rüberbringen.
Allerdings ist „den stelle ich nicht als Person dar“ trotzdem eine Art von Darstellung, die ihn von Anderen Charakteren abhebt („Das ist nur ein Statist; ignoriert ihn als Person“).
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