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Improspiel: Ein Plädoyer für das Ja…

Bild von Drak

…und wie es Rollenspiele bereichert.

» ›Improspiel‹1 beschreibt in einfacher Sprache viele der Techniken, die Spielern in meinen Runden gefallen haben, die ich aber nie verständlich erklären konnte — und noch einige mehr.«
Drak (ich)

Im Abschnitt ›Improvisation‹ von »Gutes Spielleiten«2 findet sich die Aussage „An den guten Tagen brauchst du keinen Leitfaden… mach es einfach“. »Improspiel« nimmt diese Herausforderung an und bietet uns Tipps, um genau diese guten Tage noch besser zu machen — und um mehr davon zu erleben.3

Das fängt damit an, feste Planungen loszulassen und die Ideen der Mitspieler aktiv weiterzuspinnen, und es zieht sich als roter Faden durch den ersten Teil des Buches.

Inhalt

Loslassen

„Versuch nicht, genial zu sein“

Graham Walmsley kommt immer wieder darauf zurück, loszulassen und das Spiel ohne Druck fließen zu lassen. Nachdem er das Ideal-Bild eines Spiels aufgebaut hat, in dem alle einfach ihre Ideen fließen lassen und gemeinsam darauf aufbauen, geht er im zweiten Teil darauf ein, wie mit diesem offenen Stil Geschichten geschaffen werden können, ohne dadurch die Geschichte einzuschränken.

Ich erinnere mich noch daran, wie in einem Forum ein SL-Leitfaden zitiert wurde, der sagte „führe niemals eine Person ein, für die du keinen Hintergrund hast“. Das widersprach allem, was ich als SL an Erfahrungen gemacht habe.

Improspiel sagt das genaue Gegenteil: „Vertraue darauf, dass euch im Spiel ein spannender Hintergrund einfallen wird“. (kein wörtliches Zitat)

Und für den Hintergrund gibt es auch einen einfachen Tipp: „Wenn du ihn brauchst, nimm einfach die offensichtlichste Idee, denn wenn du versuchst genial zu sein, bist du 90% der Zeit langweilig. Wenn du dagegen das offensichtliche tust, bist du 10% der Zeit genial - und den Rest der Zeit unterhaltsam“ (auch kein wörtliches Zitat)

Und genau das hat für mich meistens sehr gut funktioniert.

Geschichten entstehen lassen

Um aus dieser Offenheit Geschichten entstehen zu lassen, führt Improspiel die einfache Struktur der Plattformen4 und Wendungen ein, und kommt dadurch weiter zum Spiel mit Status als zentrale Organisation der Runde.

Als Prinzip gilt dabei der Übergang von hohem zu niedrigem Status, oder umgekehrt.

Und davon geht er dazu über, emotionale Risiken einzugehen. Denn auch wenn Statusunterschiede nicht immer einfach sind, können sie das Spiel erheblich bereichern, und sie sprechen die meisten von uns auf tiefer Ebene an (egal ob positiv oder negativ: Es geht um die Spannung).

Risiko bringt Spannung

» Wenn du dich absicherst, bist du langweilig.«

Nach seinem „Ja“ zu offensichtlichen Ideen und dem Spiel mit Status, kommt Improspiel dadurch zum „Ja“ zu Risiko. Es ruft dazu auf, aus der Deckung zu kommen und im Spiel Dinge auszuprobieren, die man vorher nie gewagt hat oder die einem Angst machen. Denn die inneren Spannungen setzen eine Energie frei, die das Spiel bereichert und ihm mehr Tiefe gibt.

…und vieles mehr

Mit diesen Punkten ist das Buch natürlich nicht abgehandelt. Es gibt eine Vielzahl weiterer spannender Ideen und Tipps zu entdecken. Wenn die Ausschnitte hier spannend klangen, dann schaut auf jeden Fall in das Buch!

Mindestens ebenso wichtig wie die Tipps selbst sind dabei die Untertöne: Der immer wieder aufscheinende Respekt vor den anderen Spielern und die gemeinschaftliche Atmosphäre, die es vermittelt.

Aber um die wirklich zu spüren, müsst ihr das Buch selbst lesen - oder euch wieder selbst mit einer tollen Runde zum Rollenspielen treffen.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist mir nicht aufgefallen. Das Buch liest sich flüssig und angenehm.

Und das ist mit das beste, was man einer Übersetzung bescheinigen kann. Wirklich gute Handwerkskunst.

Das Hörbuch

Hier bleibt der Eindruck aus meiner vorläufigen Info bestehen:

» Die Aufnahme startete noch etwas schwach, aber nach wenigen Minuten fand Achim in die angenehme Natürlichkeit seiner PiCast und Hörbuch-trainierten Stimme und spätere Teile waren toll zu hören.«

Ich habe allerdings noch nicht alles gehört.

Kritik

Bei all den positiven Eindrücken, gibt es allerdings auch ein paar Schwachstellen.

Eine sehe ich darin, dass »Improspiel« wenig Strukturen bietet, um die Techniken einüben zu können, die es beschreibt. Die einzige Übung, die es wirklich nennt, ist „sag einfach ‚Ja, und…’, bevor du überlegst, wie es weitergeht“. Für die guten Tage ist das kein Problem (und sogar gut, weil es keine Grenzen aufbaut), für die schlechten (und für den Einstieg) hätte ich mir ein Äquivalent zu der Liste der Spieler aus »Gutes Spielleiten« gewünscht: Etwas, das den Einstieg erleichtert.

Außerdem sehe ich nach den ersten paar Kapiteln kein wirklich zusammenhängendes Ganzes mehr, sondern eher eine Reihe von Tipps, die nicht ganz verschmelzen. Manche der späteren Tipps sind einfach Techniken, die es einfach machen, Ja zu sagen und gleichzeitig spannende Spielabende zu haben, die wie Geschichten fließen. Was dabei fehlt, ist ein roter Faden, der diese späteren Kapitel wirklich an die ersten bindet.

Und das war auch schon alles, was mir an Kritik aufgefallen ist.

Abschluss

Dabei habe ich beim Lesen von Improspiel mehrfach gedacht „Ja, aber nur, wenn…“, nur um auf der nächsten Seite direkt das „wenn“ zu lesen. Das Buch selbst ist also eine gute Übung, um das „Ja, und…“ zu trainieren: Improspiel fordert den Leser heraus, das „Ja, und…“ zu praktizieren und unterstützt dann die dadurch geschaffenen Ideen. Und das schwächt die Kritik der fehlenden Übungen ein Stück weit ab.

Ein Beispiel: Es sagt „Wenn du lachen kannst, während dein Charakter unehrenhaft stirbt, kannst du auch alles andere genießen“. Ich dachte „Aber ich will nicht, dass mein Charakter einfach so stirbt, dafür ist er mir zu lieb. Das sollte nur passieren, wenn es mir auch Spaß macht“. Und auf der nächsten Seite schreibt Graham Walmsley „Vertraue deinen Mitspielern“. Und genau das ist der Punkt, den ich mit „Wenn es mir auch Spaß macht“ meinte - als positives „Ja, und…“ formuliert: „Vertraue darauf, dass sie gut sind, dass sie dich mögen und dass sie auf dich aufpassen“. Klasse! Und das Buch hat mehrere solcher Momente (später kommt dann noch: „Wenn die Spieler Risiken eingehen und scheitern, hilf ihnen wieder auf die Beine“).

Fazit

Alles in allem ist »Improspiel« ein tolles kleines Buch, das einen Platz in jedem Rollenspielregal verdient hätte - allerdings nur ausgepackt und mindestens einmal gelesen. Es ist zu gut, um als reines Sammlerstück zu dienen.

PS: Der offene Stil von Improspiel passt sehr gut zum 1w6-System, da dessen frei definierte Berufe, Eigenschaften und Fertigkeiten leicht für spontane Ideen genutzt werden können, ohne das Gleichgewicht zwischen den Charakteren zu stören.

PPS: Das einzige wirkliche Manko an Improspiel ist, dass es nicht frei lizensiert ist. Aber das hat nichts mit dem Inhalt selbst zu tun und gilt leider auch für »Gutes Spielleiten« und viele tolle Rollenspiele. Wir werden wohl freie Kultur noch etwas weiter verbreiten müssen - genau wie Rollenspiele selbst - damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass die Bücher mit wirklich tollem Inhalt auch wirklich toll lizensiert sind, denn gerade bei Übersetzungen ist das bisher kaum möglich.

PPPS: Ich würde mich über Kommentare freuen!


  1. Improspiel ist die Übersetzung von »Play Unsafe«, dem Leitfaden für offeneres Spiel von Graham Walmsley, den ich bisher zwar nicht hatte, der mir aber oft empfohlen wurde. Übersetzt wurde es von Steffen (3w20.wordpress.com) und eingesprochen von Achim Zien alias PiHalbe (pihalbe.org). Das Hörbuch kostet aktuell 10€, das ebook 5€ und beides im Paket 12€. Das Taschenbuch kostet 10€ und alles zusammen 17€. Kaufen könnt ihr es im Shop von PiHalbe und auf 3w20

  2. Disclaimer: Gutes Spielleiten wurde von Robin D. Laws geschrieben und von Drak alias Arne Babenhauserheide übersetzt. Ich halte es für ein essenzielles Buch, das jeder Rollenspieler gelesen haben sollte. »Improspiel« bietet dazu durch seinen Fokus auf die Guten Tage ein klasse Gegenstück, denn die werden im Improvisations-Kapitel von »Gutes Spielleiten« explizit ausgespart. 

  3. Improspiel sagt nirgendwo explizit, dass es für die guten Tage ist, aber all seine Techniken verlangen Offenheit, Beobachtung und Kreativität. Es zielt darauf ab, in den „Fluss“ zu kommen, und wenn das nicht funktioniert, sehe ich die Gefahr, dass das Konzept in sich zusammenbricht. Zum Ende hin sagt Graham Walmsley, dass er als Vorbereitung spazieren geht und sich entspannt, und ich denke, dass dieser Tipp einer der wichtigsten im ganzen Buch ist. Wenn dieser Tipp allerdings nicht funktioniert, ist das einer der schlechten Tage. In dem Fall, greif einfach auf ein paar Tipps aus »Gutes Spielleiten« zurück, um trotzdem einen schönen Abend zu erleben. 

  4. Der Name Plattform klingt für mich komisch, seit ich ihn das erste Mal in diesem Zusammenhang gehört habe. Ich muss dabei an eine Statische Ebene denken, auf der nichts passiert. Aber in Wirklichkeit baut sich dort die Spannung auf, die sich dann in der Wendung entlädt. Ich weiß aber auch kein besseres Wort dafür. 

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Danke

Heya Drak,

danke für die Rezension von Improspiel!

Besonders freut mich natürlich, dass dir die Übersetzung zusagt! Bei meinem ersten Korrekturexemplar habe ich fast auf jeder Seite Verbesserungen notiert. Gut, dass sich das gelohnt hat!

Bis dann,

Steffen

Bild von Drak

Das hat sich definitiv

Das hat sich definitiv gelohnt!

Und nochmal danke für die Übersetzung!

Bild von PiHalbe

Der Anfang

Dass es am Anfang nicht ganz flüssig ist, kann sein. Ich selbst kann das schwerlich beurteilen. Der Anfang ist allerdings auch noch sehr einleitend und hat noch nicht viel mit Rollenspiel zu tun. Den Kapiteln die sich dann tatsächlich mit den Ideen beschäftigen sollte man meine Begeisterung (angemessen) anhören.

Vielen Dank jedenfalls für die Rezension!

Bild von Drak

Jupp, das passt zu meinem

Jupp, das passt zu meinem Eindruck :)

Alles in allem übrigens klasse! Wobei es wohl noch eineinhalb Wochen dauern wird, bis ich die Zeit habe, das Hörbuch wirklich entspannt durchzuhören.

Danke!

Gerade war ich dabei, etwas passendes zum Einschlafen zu suchen und bin beim Stöbern auf die Seite hier gestoßen! Danke für die Inspiration ;)

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„Das EWS ist ein rundum gelun­ge­nes Sys­tem, wenn es darum geht, mit ein­fa­chen Regeln eine Rol­len­spiel­runde aus dem Boden zu stamp­fen.“
— Tim Charzinski in der Rezension bei den Teil­zeit­helden
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